Newsletter 01/2021

Unsere Experten Dr. Roland Jancke und Dr. Dirk Mayer beleuchten die Fragestellung, wie Designunterstützung aussehen muss, um den steigenden Energieverbrauch von IoT-Geräten zu minimieren?

Teaser Green IoT

Das Internet der Dinge (IoT) wächst weltweit rasant. Immer mehr Geräte kommen hinzu, die eine Vielzahl an Daten lokal erheben und diese dann häufig drahtlos über Zwischenstationen (sogenannte Edge-Devices) zur Weiterverarbeitung in eine Cloud im Internet transportieren sollen. Schätzungen gehen davon aus, dass in wenigen Jahren IoT-Devices für mehr als 20% des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich sein werden. Den Energieverbrauch von IoT-Devices einzudämmen muss daher ein herausragendes Ziel zum Klimaschutz sein.
Hinzu kommt der Energieverbrauch jedes einzelnen IoT-Knotens als limitierender Faktor für die Standzeit des Gerätes. Ist das Gerät nur schwer zugänglich und eine drahtgebundene Stromversorgung nicht möglich, steht wiederum die Aufgabe, den Energieverbrauch zu minimieren, um eine möglichst lange wartungsfreie Zeit zu erreichen.

Der Energieverbrauch sollte somit frühzeitig in der Entwicklung eines neuen Gerätes berücksichtigt werden. Bereits in der Konzeptphase, wo wichtige Architekturentscheidungen getroffen, muss die  Stromaufnahme als Entwurfsparameter betrachtet werden. Beispielsweise steht dort die Entscheidung zum Energieversorgungskonzept an: wird der Energiebedarf aus einem wieder aufladbaren Akkumulator, einer lebenslang haltenden Batterie oder sogar durch Energie-Harvesting gespeist. Dabei muss sowohl der statische, integrale Energiebedarf wie auch der dynamische vom Nutzungsszenario abhängige Bedarf einbezogen werden.

Eine Reihe von konzeptionellen Fragen sind also frühzeitig zu beantworten, da sie Einfluss auf die benötigte Energieversorgung haben. So stehen ein leistungshungriges Sendemodul zum Hochladen vieler Rohdaten der vorherigen energieintensiven Kompression der Daten gegenüber. Auch die lokale Aggregation vieler Sensordaten und deren Auswertung durch Extraktion der interessierenden Merkmale reduziert die Sendedaten – auf Kosten algorithmischer Komplexität. Anspruchsvolle Machine-Learning- oder KI-Algorithmen sind auf einfachen Mikrocontrollern kaum umsetzbar. Lagert man sie in den Edge-Knoten aus, sind entsprechend mehr Daten dorthin zu transportieren.

Auch Fragen zum Betriebsregime spielen hier mit hinein: wie oft müssen Sensordaten erhoben werden, um welche Genauigkeit zu erreichen? Dies betrifft auch die Kommunikation vom Sensor-Device zum Edge-Knoten. Häufiges Senden von Daten erhöht die Sicherheit der Übertragung, seltenes Senden ist durch Maßnahmen zur Fehlerkorrektur abzusichern. Im ungünstigsten Fall sind sensible Daten zusätzlich noch vor der Übertragung zu verschlüsseln.

In einem Netzwerk aus vielen IoT-Knoten steht zudem die Frage nach dem verwendeten Übertragungsprotokoll. Synchrone Protokolle tauschen nur zu bestimmten, fest definierten Zeiten Informationen aus, in der Zwischenzeit gehen die Knoten in einen Ruhemodus. Bei asynchronen Protokollen wachen die Knoten nur aus dem Ruhezustand auf, wenn tatsächlich Daten anfallen, sie müssen aber dauerhaft für eine solche Aktivierung bereit sein. Für verschiedenste benötigte Datenraten und Reichweiten stehen unterschiedlichste Protokolle zur Verfügung: von Zigbee und Bluetooth Low Energy (BLE) über spezielle IoT-Protokolle wie Long Range (LoRa), Narrow Band IoT (NB-IoT) bis zur 5G-Variante für massive Machine Type Communication (mMTC).

Somit wird deutlich, dass der Energieverbrauch von IoT-Devices in Abhängigkeit von den Anforderungen an seine Betriebsmodi in viele Entwurfsentscheidungen hineinspielt. Das macht es erforderlich, bereits in der Konzeptphase mit Toolunterstützung verschiedene Alternativen gegeneinander abzuwägen. Der Energieverbrauch einzelner Komponenten im jeweiligen Betriebsmodus muss dabei einbezogen werden. Ein energiesensitives Datenflussmodell auf Architekturebene ist erforderlich. Der benötigte Energieverbrauch hängt natürlich entscheidend von der zugrundliegenden Hardware ab. Daher sind allgemeine, an Transaktionen orientierte Prozessormodelle um Informationen zum Energieverbrauch von Kommunikations- und Rechenschritten zu ergänzen. Das ermöglicht die Untersuchung des Entwurfsraums durch Simulation verschiedener Nutzungsszenarien unter dem Gesichtspunkt des Energiebedarfs.

Durch die Vielzahl potentiell nutzbarer Komponenten und Algorithmen im IoT erreicht diese Entwurfsaufgabe eine bisher unerreichte Komplexität. Daher ist eine zunehmende Automatisierung notwendig, um eine optimale Lösung für die konkurrierenden Ziele eines leistungsfähigen und energiesparenden Systems zu finden. Hierzu ist eine durchgängige digitale Systembeschreibung von der Konzept- bis zur Implementierungsphase notwendig, in der Interaktionen zwischen Komponenten analysiert und optimiert werden. Ansätze finden sich in der Methode des Contract-based design, die Systemkomponenten als eine Form von Agenten beschreibt, welche untereinander Anforderungen stellen und dafür Leistungen garantieren. Derartige Beschreibungen eignen sich einerseits für eine schrittweise Verfeinerung im Entwurfsprozess und andererseits für eine Automation des Entwurfs durch Optimierungsverfahren auch für komplexe Systeme.

Generell sind Methoden des Model Based Systems Engineering (MBSE) geeignet, frühzeitig fundierte Entscheidung zur Auslegung komplexer Hardware-/Software-Systeme zu treffen. Die dafür entwickelten Modelle auf hohem Abstraktionsniveau können später – um Details der Implementierung angereichert – für die Verifikation des Gesamtsystems wiederverwendet werden.

Betrachtet man die künftig zu erwartende unglaubliche Anzahl von IoT-Systemen, ist von einer enormen Einsparung des Energieverbrauchs auszugehen. Aber auch die Standzeit des einzelnen Systems wird vom Einsatz eines intelligenten MBSE-Ansatzes profitieren.