Mit einem neuen 5G-Testbed schafft das Fraunhofer IIS in Dresden eine hochmoderne Infrastruktur für Forschung und Entwicklung im Bereich 5G-Campusnetze. Ziel ist es, aktuelle und zukünftige Anforderungen an industrielle Kommunikationstechnologien in einer realistischen Testumgebung zu untersuchen und innovative Konzepte direkt in der Praxis zu erproben. Projektleiterin Anna Richter stellt im Interview Anwendungsfälle und Besonderheiten des Testbeds vor.

Aufbau 5G-Testbed am Fraunhofer IIS
© Fraunhofer IIS, Ulf Wetzker
Aufbau 5G-Testbed am Fraunhofer IIS
5G-Testbed am Fraunhofer IIS
© Fraunhofer IIS, Foto: Ulf Wetzker
Arbeiten zum Aufbau 5G-Testbed am Fraunhofer IIS
© Fraunhofer IIS, Foto: Ulf Wetzker

Welche Anwendungsfälle werden mit dem 5G-Testbed bei uns im Haus umgesetzt?

Anna Richter: Das Testbed dient als flexible Plattform für unterschiedliche Forschungsthemen. Wir entwickeln und evaluieren Verfahren für KI-gestütztes Netzwerk-Monitoring und -Management, untersuchen KI-native Netzwerkarchitekturen sowie dynamisches Ressourcen- und Handover-Management. Damit schaffen wir die Grundlage für selbstoptimierende Netze, die in Echtzeit auf veränderte Anforderungen, wie Lastspitzen im Netz und Störungen, reagieren können. Ein weiterer Fokus liegt auf industriellen Anwendungen: Unsere im Aufbau befindliche Demo-Produktionslinie am Institutsteil in Dresden wird zukünftig drahtlos vernetzt, um neue Ansätze für verteilte Steuerung, Prozessüberwachung und mobile Robotik zu testen. Perspektivisch werden wir auch Use-Cases aus der flexiblen Fertigung und der intelligenten Intralogistik einbinden.

Wer kann das Testbed nutzen?

Zunächst nutzen wir das Testbed für interne Forschungsprojekte und den Aufbau eigener Kompetenzen. In einem nächsten Schritt werden wir das Testbed auch externen Partnern zugänglich machen. Im Rahmen von Industrieprojekten möchten wir gemeinsam mit Unternehmen Machbarkeitsstudien durchführen, individuelle Vernetzungslösungen entwickeln und in einem sicheren, abgeschlossenen Umfeld evaluieren. Besonders interessant ist dies für Firmen, die ein eigenes 5G-Campusnetz planen: Sie profitieren von praxisnahen, flexiblen Testszenarien und unserer Erfahrung in Planung, Optimierung und Betrieb anwendungsspezifischer Netze.

Was sind die technischen Besonderheiten des Testbeds?

Eine Besonderheit unseres Testbeds ist seine vollständig selbstverwaltete Infrastruktur. Wir setzen auf eine Open-RAN-Architektur, betreiben zukünftig fünf Indoor- und eine Outdoor-Funkzelle und nutzen Open-Source-Software für Core- und RAN-Funktionalitäten. Wir haben somit einen uneingeschränkten Zugriff auf alle Systemkomponenten, was maximale Flexibilität für Forschung und Entwicklung ermöglicht. Die Architektur folgt modernen cloud-nativen Prinzipien: Containerisierung, Kubernetes-basierte Orchestrierung, Infrastructure-as-Code, GitOps-Workflows sowie der Einsatz cloud-nativer Monitoring-Tools ermöglichen eine hochgradig flexible, automatisierte und skalierbare Umgebung. Ergänzt wird dies durch überwiegend auf Standardhardware basierenden Komponenten (COTS), was schnelle Anpassungen und die Integration neuer Technologien erleichtert. Diese genannten Eigenschaften machen das Testbed zur idealen Basis für die Erforschung und Entwicklung von KI-nativem Netzwerkmanagement und innovativen 5G-Anwendungen. KI-Funktionalität soll künftig nicht nur als Add-on fungieren, sondern tief in die Architektur integriert werden. Auch für kommerzielle Anwendungsszenarien ist ein solches System einsetzbar, wobei die Kosten im Vergleich zu den aktuell auf dem Markt angebotenen Komplettlösungen niedriger ausfallen.

Wo siehst du die spannendsten Einsatzgebiete von 5G in den kommenden Jahren und welches Potenzial von 5G ist aus deiner Sicht noch nicht ausgeschöpft?

Wir sehen das größte Potenzial von 5G in der industriellen Nutzung: Von der drahtlosen, latenzkritischen Vernetzung von Maschinen über flexible Produktionsanlagen bis hin zu autonom agierenden Robotern und vernetzten Logistikketten. Viele dieser Anwendungen stehen noch am Anfang ihrer Entwicklung. Insbesondere Features wie adaptives Ressourcenmanagement oder dynamisches Network Slicing – die flexible Zuteilung von Netzressourcen an unterschiedliche Anwendungen in Echtzeit – sind in kommerziellen Netzen bislang kaum umgesetzt, bieten aber enormes Innovationspotenzial. In Kombination mit Edge-Computing, KI-gestützten Orchestrierungsverfahren und zukünftigen Entwicklungen in Richtung 6G erwarten wir in den nächsten Jahren einen massiven Technologiesprung, zu dem unser Testbed und unsere anwendungsorientierten Forschungsarbeiten maßgeblich beitragen sollen.